Die Vereinten Nationen und mehrere internationale Fachorganisationen haben den weitverbreiteten Ausbruch einer Hungersnot im Gazastreifen bekannt gegeben – die erste offizielle Erklärung dieser Art im Nahen Osten.
Die Bekanntgabe erfolgte in einer gemeinsamen Erklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF), des Welternährungsprogramms (WFP) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) aus Genf. Darin heißt es, dass mehr als eine halbe Million Menschen im Gazastreifen unter Bedingungen leben, die offiziell als Hungersnot eingestuft werden.
Die Erklärung wies darauf hin, dass sich die Zahl der von Nahrungsmittelknappheit betroffenen Menschen in Gaza in den vergangenen Monaten verdreifacht habe. Gefordert wurde ein sofortiger Waffenstillstand sowie ein ungehinderter Zugang zu Nahrungsmittel- und medizinischen Hilfslieferungen, um Todesfälle durch Unterernährung und Hunger einzudämmen. Zudem wurde betont, dass es das erste Mal sei, dass im Nahen Osten eine Hungersnot festgestellt wird.
Parallel dazu veröffentlichte die „Integrierte Klassifikation der Ernährungssicherheit“ (IPC) – ein internationales Beobachtungsinstrument für Hungersituationen – einen Bericht, in dem bestätigt wird, dass sich die Hungersnot in der Provinz Gaza ausbreitet. Der Bericht warnte davor, dass sich die akute Unterernährung bis Mitte 2026 rapide verschärfen könnte.
Das Gesundheitsministerium in Gaza erklärte seinerseits, dass Unterernährung bislang zum Tod von 272 Menschen geführt habe, darunter mehr als hundert Kinder; das letzte Opfer sei heute Morgen ein Säugling in Chan Yunis im Süden des Streifens gewesen.
UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Lage als „von Menschen verursachte Katastrophe“ und unterstrich die Notwendigkeit, den Zugang zu Nahrungsmittel- und medizinischen Hilfsgütern sicherzustellen. Er betonte zudem die Dringlichkeit eines sofortigen Waffenstillstands. In diesem Zusammenhang erklärte Philippe Lazzarini, der Generalkommissar des Hilfswerks UNRWA, die aktuelle Situation sei eine direkte Folge der seit Monaten bestehenden Einschränkungen beim Zugang zu lebenswichtigen Gütern für Gaza.
Auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, erklärte, die Verwehrung von Nahrungsmitteln gegenüber der Bevölkerung könne den Tatbestand eines Kriegsverbrechens erfüllen. Andere UN-Verantwortliche hoben hervor, dass sich die Hungersnot hätte verhindern lassen, wenn es keine Einschränkungen bei den Hilfslieferungen gegeben hätte.
Das deutsche Außenministerium zeigte sich ebenfalls äußerst besorgt und rief zu einem sofortigen, ausreichenden Zugang für humanitäre Hilfe auf.
Die israelische Regierung hingegen wies die UN-Berichte zurück und bezeichnete sie als „erfunden“. Sie betonte, die Bevölkerung in Gaza erhalte täglich ausreichende Mengen an Lebensmitteln. Auch die israelische Armee erklärte, die internationalen Berichte zeichneten ein „ungenaues Bild“ der Lage vor Ort.
Die UN-Erklärung folgt auf monatelange strikte Beschränkungen beim Zugang humanitärer Hilfe, während die internationale Gemeinschaft zunehmend davor warnt, dass die Fortsetzung dieser Bedingungen zu einer beispiellosen Verschärfung der humanitären Krise in der Region führen könnte.